Eine psycho-philosophische Abhandlung zu Grenzüberschreitungen
Lady Susan V.E.A.M.
Wer oder was ist der Rubikon?
Das weiß doch jeder, würden Andere vielleicht sagen!
Manchmal, besonders bei einem Sonntagsspaziergang, bei dem die Kinder auch gerne die neuste Jeans oder die tollen neuen Sneakers anziehen durften, kann man von sehr aufgeregten Eltern folgende Worte hören:
„Renne jetzt nicht auch noch über dieses nasse Feld, sonst ist der Rubikon wirklich überschritten!“
ODER
„Hoffentlich verkneift er sich auch noch Dieses oder Jenes anzusprechen, ansonsten hat er dieses Mal tatsächlich den Rubikon überschritten!“
ODER
„Was fällt ihr eigentlich ein zu diesem Treffen auch nur 1 Minute zu spät zu kommen und dann noch diese Begrüßung, sie weiß wohl nicht wer da vor ihr steht? Wie soll das noch weiter gehen, nachdem sie schon vor und bei ihrer Ankunft den Rubikon mindestens bereits zweimal überschritten hat?!“
In der Zeit ab 49 v.Chr. begann der römische Bürgerkrieg, den Gaius Julius Caesar gegen Gnaeus Pompeius Magnus führte.
In der Historie war der Rubikon ein Grenzfluss zwischen der römischen Provinz Gallia cisalpina und dem eigentlichen Italien.
Nachdem der Senat am 7.Januar 49 v. Chr., so ist es überliefert, beschloss, dass er, Gaius Julius Caesar, um erneut für das Konsulat kandidieren zu dürfen, zuerst sein gesamtes Heer entlassen und sein Imperium niederlegen müsse, überschritt Caesar am 10.Januar 49 v. Chr. mit seinen Truppen den Rubikon.
„Alea iacta est!“
Soll Caesar gerufen haben. Dieses weltberühmte Zitat bedeutet wörtlich übersetzt:
„Der Würfel ist geworfen worden!“
Man muss sich vorstellen, was die Entlassung seines Heeres und die Auflösung seines Imperiums für ihn bedeutet hätte.
Er hätte seine gesamte Befehlsgewalt über Gallien und Illyrien niederlegen müssen.
Ein Ausdruck von Schwäche. Wie hätte er dann mit so einem Ruf als Kandidat vor dem Konsulat bestehen können.
Uns ist Allen klar, dass dies eine äußerst große Provokation für Gaius Julius Caesar war.
Eine schwachsinnige Provokation?
Welche Provokation ist nicht schwachsinnig?
Wird nicht so oft Politik gemacht? – Im Großen und im Kleinen? –
So entstehen im besten Fall diplomatische Verwicklungen. Im schlechtesten Fall, Kriege, das wissen wir doch Alle.
So war die bewaffnete Überschreitung des Grenzflusses Rubikon, durch Gaius Julius Caesar eine wiederum provokante Antwort für den Senat.
Ja, diese bewaffnete Überschreitung des Grenzflusses Richtung Süden und damit Richtung Rom war eine klare Kriegserklärung an den Römischen Senat.
Dies war sich Caesar offensichtlich sehr bewusst und weiter, dass es ab jetzt, ab diesem Punkt kein Zurück mehr gab, sonst wäre es nicht zu dem verbrieften Ausruf von ihm gekommen: – „alea iacta est!“
Rubicon speech
The implementation of the principles I have stated today can have
a far-reaching effects on us all.
I believe that we are today crossing the Rubicon.
There can be no turn back.
….and so on…
President Pieter Willem Botha
15.August 1985
Der damalige südafrikanische Präsident hielt diese Rede im Rathaus von Durban während einer Versammlung der Nationalen Partei der Provinz Natal. Es ging um die Apartheid, also um die Rassentrennung in Südafrika.
Wie wir jedoch auch wissen, stand zwar das Zitat: „alea iacta est“ Pate für die Rede des Präsidenten, doch kündigte er in seiner Rede keinerlei substantielle Veränderungen an.
Somit kam es in der Folge zu Turbulenzen im Finanz-und Aktienmarkt und vor allem zu einer weiteren Verschlechterung der sozioökonomischen Verhältnisse. Besonders weil die im Vorfeld entstandenen innen- sowie außenpolitischen Erwartungen nicht erfüllt wurden.
Heutzutage gilt die für Botha politisch so prägende Rede als eine seiner größten Fehlschläge und letztendlich die Ankündigung einer Rubikon-Rede, die sie nicht war, als ein Synonym für den individuellen sowie kollektiven Umgang mit dem Apartheidsystems in der Geschichte Südafrikas.
Eine Augenwischerei mit verheerenden Folgen, das wissen wir heute.
Jedoch stimmt auch hier letztendlich der Ausspruch von Gaius Julius Caesar – „alea iacta est!“
Ob eine angekündigte Grenzüberschreitung, die nicht ausgeführt wird, oder eine durchgeführte Grenzüberschreitung, jedes Mal kommt es zu verheerenden Folgen, von denen es kein Zurück mehr gibt. Wir sollten dabei jedoch nicht übersehen, dass eine angekündigte und nicht durchgeführte Grenzüberschreitung schon in sich eine Grenzüberschreitung ist.
Wie denn das?
Bei dem zuletzt Aufgeführten brauchen wir nur den Kontext, die Basis verändern.
Bedeutet:
Die Basis, der Kontext, in dem wir ein Tun beurteilen bringt uns zur Konklusion (lat.: conclusio). Eine Konklusion ist eine „Schlussfolgerung“ für, in der Logik, mehrere eng miteinander verwandte Sachverhalte.
In der Folge also ist es immer der Mensch selbst, der Empfänger einer Botschaft, dem es anheim ist das Tun des Senders zu beurteilen. Die Beurteilung des Empfängers hängt nun von dessen Basis, seinem Verständnisses ab. Dabei spielt seine Vorannahme, sein eigenes Wertesystem eine wichtige Rolle.
Es gibt natürlich soziale Übereinkünfte, die die Beurteilungsbasis vorschreiben.
Nun wissen wir wie es zu einer Grenzüberschreitung, einer Überschreitung des Rubikon, kommt.
Wir brauchen zuerst einmal eine benannte, behauptete, umstrittene und so „anerkannte“ Basis.
Wird die individuelle oder sozial benannte Basis zumindest von einer Seite (Sender oder Empfänger) nicht anerkannt, kommt es zu keinem Streitpunkt (zu einem Streit braucht es zumindest Zwei) und braucht somit auch, im Sinne „des Rubikon überschreiten“, kein Zurück.
Wird jedoch die Basis von beiden Seiten gleich wahrgenommen sollte man sich fragen, was einen veranlasst, eine von einem Selbst auch anerkannte Grenze des Anderen zu überschreiten.
Liegt dies am eigenen Wertesystem des Senders, das diesem nicht aufzeigt, den Anderen und somit auch seine eigenen anerkannten Grenzen doch bitte zu achten?
Wie wir wissen, kommt es leider viel häufiger vor, dass wir achtungslos mit uns selbst oder/und mit dem Anderen umgehen.
Dies kann dann nur noch zu dem führen, was wir Ärgernis oder gar Krieg nennen.
Braucht es also kein Zurück, sind wir dem Leben näher, denn das Leben kennt kein Zurück.
Das wahre Leben kennt Anerkennung, Achtung, Respekt vor Dingen, Fakten, Umständen oder besser gesagt Anerkennung des Seins.
Was lockt uns also so manches Mal in die Falle des Rubikons?
Es ist die Nicht-Anerkennung des Lebens, die Nicht-Achtung, gegenüber uns Selbst und des Anderen.
Mehr noch, es ist die fehlende Klarheit und vor allem der fehlende Respekt, die fehlende Anerkennung unseres eigenen Seins und des Seins des Anderen, im Großen sowie im Kleinen.
Respektvoll miteinander umgehen, setzt voraus, dass wir hinhören, dass wir versuchen zu verstehen, uns selbst und auch unseren Mitmenschen.
Dann ist der Rubikon kein Grenzfluss mehr sondern einfach nur ein Fluss, der fließt wie das Leben selbst.
Wie wir ja wissen, kann man jeden Fluss nur einmal durchqueren, da, wie der Name ja sagt, das Wasser fließt und sich bei einem zweiten Durchqueren bereits wieder verändert hat.
„The only constant thing is change!”
„Das Einzige konstante ist die Veränderung“, das wussten schon die vorsokratischen Philosophen zu sagen.
Mit Klarheit und Respekt gegenüber uns Selbst, gegenüber dem Anderen, gegenüber dem Leben selbst, brauchen wir keine Angst vor Grenzen mehr zu haben und auch nicht mehr gegen das Leben zu handeln, weil wir vielleicht „zurück“ wollen, und somit dem Leben entgegen wirken würden.
Ein „Zurück“ gibt es in der Natur nicht!
Lady Susan V.E.A.M.